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8. AuswertungIn diesem Kapitel der Arbeit möchte ich die einzelnen Stellungnahmen zusammenfassend und vergleichend auswerten. 8.1. Das ThemaDie Themenstellungen der untersuchten Papiere sind sehr unterschiedlich. Obwohl alle Papiere eine Stellungnahme zum Thema homosexueller Partnerschaften darstellen, so haben sie doch unterschiedliche Ziele, die bis in die Argumentation durchschlagen. Die Orientierungshilfe der EKD tendiert doch eher zu einer verbindenden, konservativen Position, während die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland stärker das Thema in einem breiten Kontext progressiv betrachtet. Beide dieser Papiere versuchen Grundlagenpapiere zu sein, das der EKD ist aber wesentlich kürzer und beschränkt sich auf die Homosexualität, die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland ist auf breiter Ebene, den gesamten Themenkreis der Sexualität und der Segnung beleuchtend, angelegt. Die Orientierungshilfe der Pilgermission nähert sich kurz und knapp exegetisch kompromißlos dem Thema, während sich der HuK-Verband in der Stellungnahme von Herbert Engel allgemeinethisch kompromißlos äußert. 8.2. Die Argumentation im Bereich HomosexualitätDie Argumentationsschienen in diesem Bereich sind sehr unterschiedlich. Die EKD und die Pilgermission St. Chrischona orientieren sich stark exegetisch am Bibeltext. Die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland und dem Plädoyer der HuK ist der Bibeltext eher fremd oder er wird ignoriert. Sie legen dann ihren Schwerpunkt auf den humanwissenschaftlichen Teil. 8.2.1. Biblischer Befund zur HomosexualitätJede der Schriften hat eine eigene Variante, sich diesem Thema zu nähren. Die Orientierungshilfe der EKD wie auch die Orientierungshilfe der Pilgermission bestätigt klar und deutlich, daß es nach einigen Bibelstellen einen Willen Gottes gegen die Homosexualität gibt. Dieser Befund wird aber unterschiedlich ausgelegt. Die Orientierungshilfe der Pilgermission akzeptiert diesen Befund und versucht daraus Leitsätze für die Seelsorge zu entwickeln. Somit entspricht sie dem Buchstaben nach dem Willen Gottes. Die Gefahr besteht in der Theodizeefrage: Wenn Gott aber manche Menschen als homosexuell empfindend geschaffen hat, und auch sie gut sind, warum ist dann die Homosexualität gegen Gottes Willen? Warum müssen sie an dieser guten Schöpfung leiden, gerade wenn sie ihre Homosexualität nicht einfach in eine Heterosexualität umwandeln können? Das Argument der Orientierungshilfe liegt in der "degenerierten Schöpfung": Die Schöpfung wurde ohne Homosexualität geschaffen, und diese Variante ist ein Ergebnis der Sünde. Aber auf das eigentliche Problem der Theodizee wird damit keine Antwort gegeben. Das Problem kann aber auch nicht gelöst werden, denn der Mensch ist zwar einerseits eine neue Schöpfung durch Christus, andererseits bleibt er aber in dieser Welt und mit ihr in dem Leiden der gefallenen Schöpfung. Wilfried Veeser geht in seinem Aufsatz "Warum bin ich so, Gott?" auf diese Frage praktisch ein und kommt zu dem Schluß, daß Kern der Beantwortung dieser Frage ist, daß man sich "Christus anvertraut hat", der einem Menschen "geistlich-reale Perspektiven der ganzen Wirklichkeit eröffnen kann, die anderen Menschen notgedrungen verschlossen bleiben müssen." Diese Wirklichkeit kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern muß in der jeweiligen Situation vom Betroffenen erarbeitet werden. Es bestehen weitere Probleme bei dieses Art des Umganges mit der Bibel. Einerseits kann es sein, daß man zwar dem einzelnen biblischen Versen getreu bleibt, aber darüber hinaus den Gesamtkontext verpaßt. Eventuell müssen einzelne Verse anders ausgelegt werden, als sie auf dem ersten Blick erscheinen. Daraus kann folgen, daß man bei dieser Art der gesetzlichen Bibelauslegung ein von der Bibel kritisiertes Pharisäertum veranstaltet, bei dem immer neue Gebote aufgestellt werden, um ja nicht die eigentlichen Gebote zu verletzen. Denn der eigentliche Vers müsste dann schon anders ausgelegt werden, und das Verbot, das mit dem Vers verbunden wird, ist eine eigentlich menschliche Einschränkung. Sie ist dann nur ein Schutzwall, der Menschen Regeln auferlegt, die sich von der Bibel nicht stützen lassen. Weiterhin besteht die Gefahr, wenn ich einen Lasterkatalog aufstelle, daß ich bestimmte Menschen, die Regeln aus dem Katalog verletzen, als Sünder klassifiziere, und andere, bei denen die Schuld nicht durch den Katalog offensichtlich ist, "heiligspreche". Oder die Schuld, die im Lasterkatalog steht, gerät leicht in die Gefahr, größere Schuld als andere zu sein. Ein Beispiel dazu wäre Römer 1,26-28, das die Orientierungshilfe der EKD in die andere Richtung abmildert. Sie akzeptiert voll und ganz, daß die Homosexualität eine Sünde ist, die aus der Abkehr des Menschen von Gott entsteht. Doch dann glättet sie diese Aussage, indem sie die Homosexualität bagatellisiert. Sie stellt fest, daß die allgemeine Verschlossenheit gegenüber Menschen "weit schwerer wiegt" als die Verschlossenheit gegenüber dem anderen Geschlecht, der Homosexualität. Aber eine Wertigkeit kann ich hier nicht erkennen, zumindest zielt der Text nicht auf eine Abwertung. Schuld bleibt Schuld, das gilt es in allen Fragen zu beachten. Es ist wichtig, sich immer bewußt zu machen, daß alle Menschen schuldig sind, und damit die Gnade Gottes benötigen. Ob Schuld als Tat offen sichtbar gegen eine Katalogregel verstößt, oder ob sie gut versteckt und unauffällig ist, oder sogar eher im Wesen eines Menschen schon begründet ist, ist dabei irrelevant. Schuld bleibt von Gott trennende Sünde. Die Orientierungshilfe der EKD geht mit dem biblischen Befund anders um. Sie vergleicht die Situation mit der Situation einer Ehescheidung: Zwar verbietet Gott die Ehescheidung, aber weil die Menschen nicht ohne sie leben können, soll sie wenigstens ethisch gut gestaltet werden. Der Vergleich hinkt leicht. Es stimmt, Ehe ist nicht immer ein Segen für zwei Menschen, und daher ist die Scheidung manchmal sinnvoll. Aber die Scheidung ist das Ergebnis einer Ehe, in der sich die Partner nicht so lieben, wie es eine solche Beziehung erfordert. Damit wird durch die Scheidung eine schuldhafte Beziehung beendet. Die Scheidung ist und bleibt deshalb nicht dem Willen Gottes gemäß, weil der Zustand schon vorher nicht dem Willen Gottes gemäß ist. So gesehen ist die Scheidung sogar der Start für ein neues Zuwenden zu Gott. Sie ist damit eine einzelne Tat, die einen schuldhaften Zustand beendet und Chancen für einen Neustart bietet. Das schafft eine homosexuelle Beziehung nicht, sie würde eine nicht dem Willen Gottes entsprechende Lebensgestaltung geradezu manifestieren. Die Frage, die von der Argumentation der Orientierungshilfe der EKD her die Orientierungshilfe der Pilgermission in Frage stellt, ist, wie ein Mensch seine Heiligung lebt. Während die Pilgermission St. Chrischona Konsequenz fordert, gesteht die EKD dem Menschen einen sündhaften Lebensstil zu, der dann durch die Gnade Gottes vergeben wird. Herangezogen wird dafür 1. Korinther 7, allerdings argumentiert Paulus hier, welcher unter zwei Wegen der bessere ist (Verse 25-40) oder daß verheiratete Eheleute sich nicht zu lange trennen sollen (Verse 1-9). Keiner der möglichen Varianten wird als sündhaft bezeichnet. Einziger passender Vergleichspunkt ist in Vers 2 gegeben, daß jeder um der Unzucht willen seine Frau bzw. seinen Mann haben soll, in einer eindeutig heterosexuellen Formulierung, denn z.B. nach Hirschler ist das Menschenbild der Bibel auf das Gegenüber von Mann und Frau angelegt. Aber auch hier wird von einem sündhaften Status (Unzucht) in einen ethisch einwandfreien, wenn auch nicht so guten Status (Verheiratet; unverheiratet ist besser, weil man sich dann ausführlicher Gott widmen kann) gewechselt. Vorteilhaft bei der EKD-Studie ist, daß es leichter ist, einem Menschen zu sagen, sein Lebensstil ist zwar verboten (gegen Gottes Willen), aber trotzdem akzeptieren wir diesen, weil ein Angehen dieses Lebensstiles zu schwer ist. Aber mit dieser Argumentation ist jeder Lebensstil ermöglicht. So wird nach dieser Argumentation z.B. davon gesprochen, Süchtigen lieber legal Drogen zu verteilen, als sie von ihrer Sucht zu heilen. Die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland zeigt einen weiteren Weg, wie man mit dem Bibeltext umgehen kann. Sie klassifiziert ihn als "fremd" ein. Das Denken der Bibel geschieht ganz klar von einer patriarchalischen Gesellschaft, die zu weit von unserer heutigen Welt entfernt ist. Dadurch müssen wir "weit über das hinausgehen, was der Apostel zu seiner Zeit zu sagen wußte." Ganz richtig ist, daß die Texte im Denken der damaligen Zeit entstanden sind, aber dagegen steht auch, daß diese Texte eine enorme revolutionäre Programmatik enthalten, die auch für uns Programm ist. Man nimmt diesen Texten nun die eigentliche Spitze, wenn man die Anfragen, die der Text auch heute an uns stellt, als veraltet darstellt. Die Handreichung versucht so einen Konsens zu finden, der insbesondere in unser heutiges Denken paßt. Aber so kann jede Norm durch einfaches geschichtliches Denken zeitbedingt relativieren und so zu grenzenloser Beliebigkeit führen. Deutlich führt diesen Vorgang auch das Plädoyer von Herbert Engel vor, wenn er am Beispiel des Sabbatgebotes in Markus 2,27 von der Veränderung einer göttlichen Norm um des Menschen willen spricht. Meines Erachtens schießt diese Argumentation um das Ziel hinaus, denn es geht Jesus nicht um die allgemeine Aufhebung des Sabbatgebotes, sondern menschliche Einschränkungen des Sabbats sollten aufgehoben werden. Die Frage reicht auch weiter. Gerade bei den alttestamentlichen Texten ist zu fragen, ob der Wille des sich dort offenbarenden Gottes noch für uns relevant ist, oder ob er sich im Neuen Testament aufgehoben hat. Welche Relevanz hat für uns das Heiligkeitsgesetz, wenn einzelne Aspekte wie die Reinheit des Essens schon von den Aposteln aufgehoben wurden? Dazu nehmen die Schriften keine Stellung ein. 8.2.2. Humanwissenschaftlicher BefundIn den betrachteten Arbeiten wird ausführlich der humanwissenschaftliche Befund zum Thema Homosexualität diskutiert, auch wenn er mit unterschiedlicher Relevanz in die christliche Ethik eingeht. Die humanwissenschaftlichen Ergebnisse, wie sie in die Stellungnahmen eingeflossen sind, werde ich hier erörtern. Die Bandbreite der Ergebnisse in den Stellungnahmen sind stark abhängig von der Relevanz der Ergebnisse für die spätere Argumentation. Die Orientierungshilfe der EKD geht hier einen einfachen Weg, indem sie sagt, es gibt keinen Konsens in der Forschung über die Entstehung der Homosexualität. Aber festzuhalten bleibt, daß die Homosexualität keine Krankheit im herkömmlichen Sinne ist. Es stimmt, Homosexualität wird heute nicht mehr als Krankheit definiert, wie es vor einigen Jahrzehnten noch der Fall war. Damit stimmt auch überein, daß die Akzeptanz der Homosexualität in der Gesellschaft – und auch in den Kirchen – zugenommen hat. Daneben gibt es auch keinen Konsens über die Entstehung der Homosexualität. Es gibt unterschiedliche Theorien, aber keine einheitliche Lösung. Die Frage, die hier unterschwellig mitspielt, ist, ob Homosexualität in Heterosexualität umwandelbar ist oder nicht. Die Orientierungshilfe der EKD führt diese Frage auf das Individuum zurück, das seine homosexuelle Prägung als unveränderbar wahrnimmt. Damit wird aber auch die Unveränderlichkeit der Prägung akzeptiert, im Gegensatz zur Orientierungshilfe der Pilgermission, die zwar auch davon spricht, daß "die sexuelle Orientierung nicht direkt beeinflußt werden kann", aber sie kann sich "im Zuge der Heilung der Identität" wandeln. Die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland geht diese Frage nicht direkt an, sie wurde aber in der Vorgängerversion eindeutig als Grundlage genommen: "Sexuelle Prägung ist ein Bedingungsrahmen (wie Jude- und Nichtjudesein, Frau- und Mannsein, Sklave- und Freisein), innerhalb dessen Christinnen und Christen ihre Gnadengaben entdecken, mit denen sie zum Aufbau der Gemeinde und zur Ehre Gottes einander dienen können." Herbert Engel geht in seinem Plädoyer den Weg über fremde Völker, die Tschambuli und die Marind-Anim, die eine institutionelle Form der Homosexualität besitzen. Heterosexualität sei eine gesellschaftliche Norm, die durch die Kirchen zur göttlichen Norm überdeterminiert hat. Aber "die Realität und die Vielfalt menschlicher Beziehungsformen hat diese Normen längst transzendiert [die Normen wurden umgewandelt in neue Normen: heterosexuelle und homosexuelle Liebe ist jetzt akzeptiert. Anmerkung des Verfassers]. Für die Kirchen bedeutet dieser Sachverhalt: sie muß mitunter schmerzhaft lernen, ihre sexualethischen Normen zu relativieren und sich für die der jeweiligen Kultur und Zeit entsprechenden Lebensformen zu öffnen." Kern ist, daß Sexualität eine freie Kommunikationsform zwischen Menschen ist. Sie ist nicht wie die tierische Sexualität an Paarungszeiten gebunden, sondern kann frei gestaltet werden. Genau das stellt auch die Orientierungshilfe der EKD zu 1. Korinther 6,9 zurecht fest. Paulus redet von einem Abwaschen der Homosexualität (als malako,j oder avrsenokoi,thj) bei der Taufe, aber dieser Gedanke wird nicht fortgeführt in eine Feststellung, daß Gott vielleicht auch Homosexualität heilen kann. Auch die evangelische Kirche im Rheinland mißachtet diesen Zusammenhang bei Paulus. Dieser Gedanke geht sogar der HuK zu weit, uns so argumentiert Wannenwetsch: "Wenn eine irreversible Ausgangslage zur Begründung für die grundsätzliche Anerkennung die alles entscheidende Rolle spielt, warum sollte sie dann nicht auch im Sinne der spezifischen Eigenart der Homosexualität im Sinne ihrer promiskutiven Tendenz gelten?" Diesen Gedanken hat dann auch Herbert Engel in seinem Plädoyer verwendet, und damit auch für die Akzeptanz promiskutiver homosexueller Beziehungen. Die Gefahr bei einer vorausgesetzten genetisch bedingten Homosexualität besteht in der Tatsache, daß damit Menschen als Puppen ihrer Biologie tanzen und keine Chance auf Veränderung haben. 8.2.3. Ethische Maßstäbe zur HomosexualitätRainer Stuhlmann teilt die Bewertung der Homosexualität treffend in zwei Bewertungsmodelle ein, dem Modell "Mörder" auf der einen Seite und dem Modell "Afrikaner" auf der anderen Seite. Man kann bei der Homosexualität von einer Schuld sprechen wie bei einem Mörder, oder man kann die Homosexualität als eine andere Lebensvariante darstellen, wie ein Afrikaner für mich fremd sein kann und ich ihn trotzdem in seiner Andersartigkeit annehme. Er sortiert die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland als Modell Afrikaner ein und stellt das positiv dar. Ähnliches vollzieht noch stärker das Plädoyer von Herbert Engel und etwas abgeschwächter die Orientierungshilfe der EKD. Problematisch ist nur die Umkehrung der Argumentation, die dann oft stattfindet. Das Urteil ist gefällt, und der Text hat sich diesem dann unterzuordnen. Die Orientierungshilfe der EKD ist da ein Paradebeispiel. Obwohl sie viel Wert auf den biblischen Befund legt, wird nachher doch stark vom humanwissenschaftlichen Befund ausgegangen. So sind Menschen "eindeutig und unveränderbar homosexuell", und dieser Gedanke - anfänglich noch kritisiert als "kein wissenschaftlicher Konsens zwischen den verschiedenen Gruppierungen" – ermöglicht plötzlich doch eine homosexuelle Partnerschaft. Denn vom biblischen Befund her wird nach der Orientierungshilfe der EKD nur unterstützt, daß sexuelle Enthaltsamkeit eine Gabe ist. Wer sich nicht enthalten kann, soll darum eine Ehe eingehen, und entsprechend der homosexuelle Mensch eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft. Die Frage aber ist, ob man wirklich den Text so breit auslegen darf. Leider wird die Situation der homosexuellen Menschen in der Kirche nur von der humanwissenschaftlichen Seite angegangen, obwohl der andere Weg breit vorbereitet wurde. So ist es unausgesprochener Konsens in der Orientierungshilfe der EKD, daß es eine unveränderliche homosexuelle Prägung gibt, die angenommen und ausgelebt werden darf. Dieser Gedanke knüpft entfernt an den vorigen Gedanken mit der sexuellen Enthaltsamkeit an. Das ist schade, denn gerade hier hätte die Orientierungshilfe der EKD unterstreichen können, was als eigentlicher Gedanke im biblischen Befund Ergebnis war: Homosexualität entspricht nicht dem Willen Gottes. Diesen Gedanken hat einzig die Orientierungshilfe der Pilgermission konsequent durchgezogen, und schlägt deshalb eine vorsichtige Therapie vor. Alle Schriften rufen zur Toleranz gegenüber homosexuellen Menschen auf. Dieser Aufruf ist auch konsequent zu unterstützen, denn auch nach dem Modell "Mörder" gilt, zwischen Tat und Person zu unterscheiden. Natürlich dürfen homosexuelle Menschen zur Gemeinde kommen. Aber Toleranz gegenüber den Menschen bedeutet auch, daß sie ihre Selbstbestimmung an bestimmten Stellen einschränken: Praktizierte Homosexualität ist keine der Sexualität in der Ehe gleichgestellte Sexualform. 8.3. Segnung HomosexuellerDer Gedanke an eine Segnung von homosexuellen Partnerschaften wird bei jeder Stellungnahme unterschiedlich bewertet. Interessanterweise kommen dabei die Extrempositionen von Herbert Engel und der Pilgermission St. Chrischona zu einem ähnlichen Ergebnis: Beide lehnen die Segnung ab. Die Orientierungshilfe der Pilgermission hält dagegen, daß durch eine Segnung die Kirche schuldig wird, denn die Homosexualität selber widerstrebt dem Willen Gottes. Dagegen stellt das Plädoyer von Herbert Engel fest, daß eine Segnung homosexueller Partnerschaften eine homosexuelle Eheform manifestieren würde, die promiskutiv lebende homosexuelle Menschen diskriminieren würde. Deshalb spricht er sich gegen einen Segen aus, wie er zur Zeit diskutiert wird. Jeder Lebensform sollte eher ein Segen zugesprochen werden können, nicht nur der monogamen. Die Orientierungshilfe der EKD spricht sich prinzipiell gegen eine Segnung der Partnerschaft aus, wohl aber für eine Segnung der Menschen in ihnen, und damit bitten sie unterschwellig auch für Gottes Begleitung gerade in dieser Partnerschaft. Die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland sieht die Segnung homosexueller Lebensgemeinschaften prinzipiell als möglich an und knüpft es nur an ethische Grundsätze ähnlich der Ehe. Damit stehen sie eindeutig auf der Position, eheähnliche homosexuelle Partnerschaften zu segnen. 8.3.1. Bedeutung der SegnungSofern die Stellungnahmen über die Segnung sprechen – das Plädoyer von Herbert Engel fällt hier aus dem Rahmen – hat die Segnung die Bedeutung des Zuspruches Gottes an den Menschen. Grundlegende Arbeit leistet dabei die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland, die den Segen sehr genau analysiert. So deutet sie am Rande an, daß im Segen nicht nur Gottes Gegenwart zugesprochen wird, sondern auch geschieht. So folgert Magdalene Frettlöh in ihrem Buch "Theologie des Segens" ganz deutlich: "Daraus folgt zum einem, daß keinem die Zusage des göttlichen Segens vorenthalten werden kann, den Gott selbst seines Segens gewürdigt hat. Zum anderen hat der menschliches Segnen seine Grenzen dort, wo Gott seinen Segen verweigert. ... menschliche Segenshandlungen [fallen dort aus], wo es um die Absegnung von Verhältnissen geht, die ein Leben, in dem alle Genüge haben können, gefährden, behindern und ersticken." Eibach grenzt diesen Gedanken stärker ein: Seelsorgliche Begleitung schließt Handlungen wie Segnung aus, "wenn damit nicht eindeutig das gesegnet wird, was gemäß biblischem Zeugnis und Bekenntnisgrundlagen der Kirchen dem Willen Gottes entspricht." Prinzipiell stimmen die einzelnen Schriften diesen Aussagen zu. Die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland versucht hier den größten Schritt, wenn sie sagt, daß die "Segenshandlung nicht die öffentliche Proklamation dessen ist, daß ein umstrittener Sachverhalt gut, richtig und von Gott so gewollt ist." Doch wenn ich nur das segnen darf, was dem Willen Gottes entspricht, so drücke ich automatisch beim Segnen aus, daß ich an die Rechtmäßigkeit des Gesegneten glaube. Es ist aber konsequent, daß die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland daher die Segnung an den biblischen Befund koppelt und dementsprechend ausschließt oder zwangsweise vorschreibt. Da sie keinen Grund sieht, homosexuelle Partnerschaften zu verurteilen, stimmt sie dem Segen zu. Wenn sie das so sieht, dann kann sie mit dem Segen gleichzeitig auch die Homosexualität als gut proklamieren, und braucht sich nicht zu verstecken. Ähnliches gilt auch für die Orientierungshilfe der EKD, die eine Segnung deshalb im Gottesdienst ausschließt. Der Schritt der Orientierungshilfe der Pilgermission ist so gesehen konsequent, die Segnung ganz auszuschließen. Und das Plädoyer von Herbert Engel ist auch konsequent, wenn er eine Segnung aller homosexuellen Lebensformen befürwortet, nachdem er die Meinung vertritt, sie lassen sich mit dem Evangelium vertreten. 8.3.2. Bedeutung der TrauungDie Trauung wird bei den Schriften der Pilgermission St. Chrischona und von Herbert Engel nicht eigenständig behandelt. Für die Pilgermission St. Chrischona stellt sich die Frage nach der Trauung im Rahmen von Segenshandlungen bei homosexuellen Partnerschaften nicht, da sie schon Segenshandlungen ablehnt. Das Plädoyer von Herbert Engel dagegen ändert die Definition der Ehe: "Die Kirche könnte zukünftig in ihrem Wortschatz das Wort Ehe durch das Wort Lebensbündnisse ersetzen." Damit würde eine Trauung nicht mehr nur auf Ehen bezogen sein, sondern auf alle Arten von Lebensbündnissen. Aber die Übernahme eines Ritus für beliebige Lebensbündnisse ist nach der Argumentation von Herbert Engel schwer, denn eine Eingrenzung des Begriffes Lebensbündnisse ist nicht möglich. Schon der Begriff Partnerschaft ist verschwommen, er wird der Sexualität fast gleichgesetzt. "Lesbische und schwule Sexualität ist genauso wie heterosexuelle Sexualität mehr und vielgestaltiger als die auf Dauer angelegte Partnerschaft, in welcher Sexualität nur mit einem Partner gelebt wird." Der Satz kritisiert die Dauerhaftigkeit und Monogamie einer Ehe, wenn man die Partnerschaft nicht von der Sexualität koppelt. Es bleiben somit zwei Wege:
Das Plädoyer von Herbert Engel schweigt zu dieser Antwort, scheint sich aber über den Begriff "Lebensbündnisse" eher für die erste Variante zu entscheiden. Die Orientierungshilfe der EKD stellt fest, daß die Ehe als Leitbild einen besonderen Wert genießt. Da eine homosexuelle Partnerschaft dieses Leitbild nicht unterstützt, darf an ihr keine der Trauung ähnliche Handlung vollzogen werden. Ehe und Familie als soziale Leitbilder haben aber nur einen Punkt, der in homosexuellen monogamen lebenslangen Partnerschaften nicht möglich ist: die Geburt von Kindern. Denn es spricht nichts dagegen, daß Kinder nicht auch in einer homosexuellen Partnerschaft eine gute Erziehung genießen. Kinder dürfen aber nicht zum Inhalt der Ehe werden, denn viele Paare haben aus biologischen oder finanziellen Gründen keine Kinder. Wenn das Leitbild der Ehe nicht in der verbindlichen Partnerschaft von Mann und Frau festgemacht wird, dann ist die homosexuelle verbindliche Partnerschaft zu akzeptieren. Somit darf ein Mensch in einer homosexuellen Partnerschaft leben, wenn er einerseits nicht dem Leitbild der Heterosexualität anhängen darf, andererseits aber auch nicht enthaltsam leben kann. Deshalb müßte sich die Orientierungshilfe der EKD von ihrem Standpunkt aus einer Trauung für homosexuelle Lebenspartnerschaften anschließen. Die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland untersucht die Trauung sehr genau. Sie fängt an beim Hochzeitsverständnis in Israel. Dabei stellt sie einerseits fest, daß die Hochzeit einzig ein Rechtsakt zwischen zwei Menschen ist. Das verwundert um so mehr, da auf den Seiten vorher ausgeführt wurde, daß der Hochzeitssegen eine besondere Bedeutung hat: Der Schöpfer gibt zwei seiner Geschöpfe gegenseitig zum Genuß frei. Damit hat die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland aber einen Vorgang beschrieben, der plötzlich nicht mehr nur ein Rechtsgeschäft zwischen Menschen ist, sondern einer Ehe einen besonderen göttlichen Stand gibt: Diese Menschen haben die Lizenz zum Genuß aneinander von Gott bekommen, wie sie formulieren. Damit geschieht auch in der Trauung eine Handlung Gottes. Dieses Problem der Argumentation spiegelt sich auf Seite 91 der Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland, wenn die Handreichung fordert, den Zusammenhang zwischen Segenshandlung und Sexualkontakt wiederzugewinnen. Die Handreichung der Ev. Kirche im Rheinland verweist darauf, daß gerade Luther die Eheschließung zu einem weltlichen Akt erklärt hat. Doch auch wenn der Start der Ehe privatrechtlich geregelt werden darf, so bedeutet das nicht, daß keine geistlichen Aspekte gibt. Auch wenn Luther polemisch von der Ehe als geistlichen Stand im Gegensatz zum Mönchtum redet, so beruft er sich doch auf Gott. Er will geradezu zum Gegenteil aufrufen, denn er stellt fest, daß der, der "erkennt, daß der Ehestand Gottes Schöpfung und Werk ist, ... der findet im Ehestande Lust und Freude." Er belegt es auch mit Sprüchen 19,14 und Matthäus 19,6 und anderen Texten. So weist auch Rendtorff richtig im Zusammenhang einer Stellungnahme des HuK-Verbandes darauf hin: Auch wenn Ehe ein weltliches Ding ist, so ist sie trotzdem theologisch zu beurteilen und nicht nur privat. Also bleibt nur die Variante, eine homosexuelle Partnerschaft der Ehe gleichzustellen, oder sie abzulehnen. Entweder die Bibel unterstützt die homosexuelle Partnerschaft – und wenn auch nur durch ihr Schweigen – oder ich muß sie ablehnen. Einen Segen als kleinere Trauung gibt es nicht. Rendtorff formuliert richtig, wenn er sagt, daß die Segnung homosexueller Partnerschaften der Kirche das eindeutige Zeugnis nimmt. Eine Institutionalisierung solcher Partnerschaften, wenn sie im Ausnahmefall auch aus seelsorgerlichen Gründen akzeptiert werden, muß gerade vermieden werden. 8.3.3. Persönliche StellungnahmeEine echte eigene Stellungnahme zum Thema Homosexualität muß einer Stellungnahme zur Segnung oder Trauung homosexueller Lebensgemeinschaften vorausgehen. Das war aber im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, da dazu einzelne Bibeltexte genauer exegesiert werden müßten, und weitere dogmatische Untersuchungen zur Homosexualität durchgeführt werden. Unter Berufung auf zwei entsprechende freikirchliche Arbeiten und diverse Bücher, die ich hier als Grundlage und Vergleichsmaterial heranziehe, denke ich nicht, daß Homosexualität eine gleichwertige Art der Sexualität neben der Heterosexualität ist. Ich kann mich auch nicht dem Standpunkt der Orientierungshilfe der EKD anschließen, die, wie die Schrift des Gemeindehilfsbundes es formuliert, die Menschen überfordert. Denn sie läßt die Menschen sich in der Konfliktlage entscheiden, ohne echte Maßstäbe zu geben. Damit regiert in der EKD das Leitbild eines autonomen Menschen, den es als Geschöpf, dem der Schöpfer einen guten Weg vorzeigt, nicht gibt. Denn das Kreuz will mich zur Umkehr mahnen, und nicht meinen falschen Weg rechtfertigen. Dementsprechend kann ich einer Segnung homosexueller Partnerschaften nicht zustimmen. Allerdings bedeutet das nicht, daß ich homosexuelle Menschen prinzipiell nicht segnen würde. Insofern nähere ich mich der EKD, aber das unterstützen auch so radikale Schriften wie die Orientierungshilfe der Pilgermission. Der Grund liegt darin, daß zwischen Menschen und Tat zu unterscheiden bleibt. Dementsprechend kann ich zwar den Menschen allgemein und individuell segnen, aber nicht diese Partnerschaft in seiner individuellen Lebenssituation. Das geht auch nicht in einem "intimen Raum der Seelsorge".
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